Die am ehemaligen Pfaffgelände liegende Bruchkante ist Metapher für eine Neubesinnung des das Gelände nutzenden Menschen












Verinselung - ein Leitbild des städtischen Kontextes in Kaiserslautern, mit dem es behutsam umzugehen gilt

4. Gesundungsort als Bruchkante


Wir haben ein Gelände in der Stadt Kaiserslautern für die Planung eines Gesundungsortes gewählt, das in vielen Hinsichten Brüche aufweist, städtebaulich, geschichtlich und topographisch. Es ist ein langgestreckter Hang, die topographische Begrenzung einer zukünftigen Industriebrache, die den für die Pfalz typischen roten Sandstein freigibt. Man kann hier einen Blick werfen auf die Basis der Stadt, auf Material, auf Körper ohne Hülle. Die industrielle Krise, in Kaiserslautern sichtbar durch die Aufgabe der Pfaff – Nähmaschinen – Produktion in der Innenstadt, gibt der Stadt ein Gelände zurück, das fast so groß ist wie die Kernstadt. Aus der Krise ergeben sich neue Möglichkeiten für die Stadtentwicklung. Analog dazu brechen körperliche und seelische Krisen des einzelnen Verdecktes auf und konstellieren die Persönlichkeit neu.


4.1 Der Hang in der Stadt


Kaiserslautern mit seinen circa 100000 Einwohnern liegt am Nordrand des Pfälzer Waldes. Der Innenstadtbereich ist in sich recht geschlossen, von den Vorstadtbereichen jedoch durch verkehrliche und topographische Barrieren stark getrennt. Wohnquartiere, Gewerbegebiete und Infrastruktureinrichtungen liegen oft in Insellage im Wald. Die Merkmale einer Insel, Abgrenzung, auf sich bezogene Erschließung und in sich relative Einheitlichkeit, finden sich im gesamtstädtischen Maßstab, auf der Quartiersebene und kleinräumlich auf dem Pfaffgelände sehr ausgeprägt. Das ermöglicht Identifikationsorte, erschwert die Zugänglichkeit und Durchlässigkeit jedoch erheblich.

Das diesen Beschreibungen zu Grunde liegende Kartenmaterial, auf dem in verschiedenen Maßstäben die städtebauliche Situation Kaiserslauterns farblich interpretiert wird, findet sich im hinteren Teil mit kleinen Querverweisen auf diesen Text (s. unter "Planmaterial")




Bei der planerischen Umsetzung unserer Ziele bemühen wir uns um eine regionale, stadtverträgliche Lösung

Hügelketten im Süden und Nordosten und einige aufgelassene Steinbrüche zur Buntsandsteingewinnung prägen naturräumlich. Die Innenstadt profitiert nicht von dem großen landschaftlichen Potential, sie nimmt wenig Bezug zum umliegenden Grün. Infrastrukturell bietet Kaiserslautern die Angebote eines Oberzentrums. Das örtlich zuständige Krankenhaus, das Westpfalzklinikum, hat keine Konkurrenz. Es liegt sehr eingeengt und ummauert in der Innenstadt und wird auf dem alten Standort saniert. Es bietet nahezu alle modernen diagnostischen und therapeutischen Verfahren. Das von uns gewählte Gelände liegt etwa 100m vom Westpfalzklinikum an der Schnittstelle zwischen vorstädtischer Gemengelage und geschlossener Innenstadt. Es zieht sich einen Kilometer den südausgerichteten Hang entlang. Der topographische Sprung bildet eine noch unüberwindbare Grenze zwischen Industriegelände und Wohnbebauung, die noch durch eine bis drei Meter hohe Mauer verstärkt wird. Zwischen Mauer und Hang liegt ein lichter Birkenhain, der angenehm zum eher dunklen Pfälzer Wald kontrastiert. In der Abbruchkante des Hanges standen in Felsmulden Nebengebäude, die mittlerweile abgerissen worden sind. Wir möchten in diese Mulden im Hang neue Häuser setzen, diese Bruchkante in der Stadt neu nutzen, ohne den Bruch zu verdecken. Wir stechen vorsichtig die städtische Inselstrukur an, ohne deren Charakter zu zerstören. Das ehemalige Industrie gelände wird ein besonderer Ort und lehnt sich an die städtischen Strukturen Kaiserslauterns an. Der Hang liegt axial zur Innenstadt, parallel zur unterhalb liegenden Königstraße, einer wichtigen Ausfallstraße. Die Königstraße hat mit ihrer nicht durchgängigen Allee das Potential, Grün in die Stadt zu leiten. Die Öffnung des ehemaligen abgeschlossenen Geländes kann die Stadt um eine ortstypische innerstädtische Grünfläche erweitern.


4.2 Rundgang


Das Gelände bekommt zwei öffentliche Zugänge in Richtung Klinik und Stadt, wo sich noch geschlossene Mauertore befinden. Vom Klinikum kommend, trifft man zuerst auf die hohe Mauer aus Sandstein.

Wichtig ist uns eine sensible, demokratische Positionierung der Häuser














Das Gelände soll allen Menschen offen stehen, da eine Getthoisierung kranker Menschen bewusstem Körpererleben zwider läuft


„Krank“ ist genauso ein Teil von uns wie „gesund“. Übergänge sind hier fließend und es ist schwer zu sagen, ab wann welcher Teil überwiegt

Wenn man an ihr entlang geht, wird sie immer niedriger, bis sie nach 70m den Blick über das Gelände und die südliche Stadt freigibt. Hier kann man nun durch ein Tor das Gelände betreten und über einen Pfad, der den Hang hinunterläuft, den baulichen Schwerpunkt erreichen. Der Ort wird zugänglich, jedoch als ein besonderer Ort erlebt. Hier liegen fünf Häuser, ein Küchen- und Eßhaus, ein Informationshaus und drei Gästehäuser. Ein Meditations - und Abschiedshaus, ein Bewegungshaus, ein Akustikhaus und weitere drei Gästehäuser sind am Hang verteilt. Barrierefrei sind die Häuser von einem anderen Eingang zu erreichen. Im Gelände können Stationen zur Körper- und Selbsterfahrung eingebunden werden. Insgesamt 12 nicht hierarchisch geordnete, sondern gleich große Häuser ziehen sich einzeln und in Gruppen den Hang entlang.


4.3 Konzept der Gästehäuser


Die Wege und die öffentlichen Gebäude können von den eigenen Gästen, Klinikpatienten und Interessierten genutzt werden. Die Gästehäuser haben einen privateren Charakter. Im Fluß zwischen absolut gesunden und sehr kranken Seins - Zuständen können auch Menschen ohne Einweisung die Fläche nutzen. Ob zum Spaziergang oder zur mehrtägigen inneren Einkehr mit oder ohne Beratung, je nach Zustand mit mehr oder weniger Hilfe. Die Gäste werden pflegerisch und ärztlich betreut. Spezielle Diagnose- und Therapieverfahren können vom Westpfalzklinikum genutzt werden. Wegen dem größeren Aufwand ist die Unterbringung von Kranken, die einer intensiven Pflege bedürfen, nicht sinnvoll. Die Therapieplanung soll aktiv von den Kranken mit gestaltet werden. Besonders bietet sich das erweiterte Angebot des Gesundungsgeländes für Kranke an, die es auch nutzen können, z.B. Allergiker, Wöchnerinnen, Diabetiker, bestimmte Patienten in der prä- oder postoperativen Phase oder Krebspatienten, die eine Chemotherapie bekommen. Insbesondere eignet es sich für Patienten, wo die Mobilisation eine große Rolle spielt.

Weitestgehende Privatisierung aller Angebote kann neue Ressourcen bei der Finanzierung erschließen







Die Häuser erinnern vom Aufbau her an eine Muschel: Harte Betonaußenschale mit weicher Holzinnenkonstruktion. Wie die Muschel außen verwittert, birgt das Innere ganz besonders wertvolles: Menschliches Leben. Dies schlägt sich auch in der bewussten Innenoberflächengestaltung nieder.


Einfache Orientierung, Trennung von privat, öffentlich, halb - öffentlich, Umbaubarkeit, viel Licht und Luft, Platz für Angehörige ... sind Kriterien für die Funktion der Häuser.

Die Trennung der Abrechnung von Unterbringung und Therapie eröffnet neue Abrechnungsformen. So kann der mündige Patient auch ärztliche Leistungen mit beurteilen und gegenüber der Krankenkasse beglaubigen. Besonders die Eigenverantwortung der Patienten und die aktive Arbeit am Gesundungsprozeß kann die subjektiv empfundene Krankheitsdauer reduzieren und damit Kosten sparen. (www. gba.de)


4.4 Architektur der Gästehäuser


Die privaten Häuser sind recht reduziert, da öffentliche Räume auf dem Gelände zur Verfügung stehen. Die öffentlichen Gebäude zeigen ihre Front zum Weg, die privaten ihre Rückseite um die Intimsphäre der Gäste besser zu wahren und die Trennung zwischen öffentlichen und halb - öffentlichen Flächen stärker hervorzuheben. Ein Weg an der Seite des Hauses führt zu den Eingängen. Das Ein- oder Doppelzimmer kann direkt über eine eigene Terrassentür oder über einen Gemeinschaftsraum betreten werden. Im vorderen Teil des Gemeinschaftsraumes kann gegessen oder gearbeitet werden, im hinteren Gebäudeteil befinden sich die Küche und sanitäre Anlagen. Die klare Trennung ermöglicht eine einfache Orientierung. Die vorderen Zimmer sind südausgerichtet und damit gut belichtet und durch die großen Türen auch gut belüftet. Die Wandoberflächen ausgewählter Wände sind dort mit Wollfilz oder Sisal, Fellen (wechselbar nach Bewohnerwunsch) verkleidet. Auch die übrigen Materialien vermitteln angenehme haptische Erfahrungen. Die Betten sind einklappbar um ein besseres Platzangebot zu realisieren und tagsüber ein Aufstehen nahe zu legen. Die Wände sind teilweie aufschiebbar, um eine Gestaltung der Räume durch die Bewohner im Rahmen des mündigen Beteiligungsprozesses an der Therapie zu ermöglichen. Eine parallele Unterbringung von Angehörigen ist möglich und erwünscht.